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Die Deutsche Flugsicherung setzt sich dafür ein, qualifizierte Kandidaten zu finden


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Ein Lotse hat im Tower am Flughafen Düsseldorf Blick auf die Start- und Landebahnen.

Ein Lotse hat im Tower am Flughafen Düsseldorf Blick auf die Start- und Landebahnen. © DFS Deutsche Flugsicherung GmbH

Arndt Schoenemann, Chef der Deutschen Flugsicherung, über das Anwerben neuer Fluglotsinnen und -lotsen und die Digitalisierung im Cockpit.

Das Kontrollzentrum der Deutschen Flugsicherung (DFS) in Langen ist nicht unbedingt das, was man erwartet, wenn man die Arbeit von Fluglotsinnen und Fluglotsen sonst nur aus Hollywood-Filmen kennt. Der Raum, in dem bis zu 90 Lotsinnen und Lotsen sitzen, ist etwa so groß wie zwei Turnhallen – und wirkt dank des Zugangs zu Tageslicht und heller Möbel ausgesprochen freundlich. Vornehmlich junge, leger gekleidete Menschen gehen hier ihrer Arbeit nach und wirken dabei, aus dem Besucherraum betrachtet, nicht gelangweilt oder hektisch, sondern ziemlich entspannt und gut gelaunt. Das Gespräch mit Unternehmenschef Arndt Schoenemann findet etwa fünf Minuten Fußweg entfernt in dessen Büro auf dem DFS-Campus statt.

Herr Schoenemann, das Wort Fachkräftemangel ist in aller Munde. Wie sieht es bei der Deutschen Flugsicherung aus? Finden Sie ausreichend Fluglotsinnen und Fluglotsen?

Auch für uns wird es immer schwerer, offene Stellen zu besetzen. Wir spüren ein Nachlassen an Bewerbungen und auch eine geringere Qualität bei den eingehenden Bewerbungen. In der Vergangenheit brauchten wir immer etwa 6000 Bewerbungen, um daraus 100 junge Menschen für unsere Ausbildung herauszufiltern. Inzwischen benötigen wir 7000 Bewerbungen, damit das klappt. Man darf nicht vergessen: Die Aufnahmetests für Fluglotsen sind sehr anspruchsvoll, 95 Prozent der Teilnehmenden fallen durch.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die Nachwuchsrekrutierung sich schwierig gestaltet?

Viele junge Menschen hören erst einmal nur: Als Fluglotse verdient man sehr gut. Und das stimmt. Lotsen haben eine sehr große Verantwortung, sie führen das Flugzeug gemeinsam mit dem Piloten sicher durch den Luftraum. Sie müssen deswegen aber eben auch sehr hohe Anforderungen erfüllen. Sie müssen teamfähig und kommunikativ sein, eine hohe Konzentrationsfähigkeit mitbringen, gutes Englisch sprechen und in Notsituationen hellwach sein und dann selbstständig und sehr schnell Entscheidungen fällen. Der Arbeitsmarkt ist inzwischen ein Nachfragemarkt, gute Leute können sich aussuchen, wo sie arbeiten wollen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Bereitschaft vieler junger Menschen, sich ins Zeug zu legen, dadurch nachlässt. Ich war zuletzt wieder in China und habe gesehen, wie ehrgeizig junge Leute dort sind und dachte: „Hoppla, hier wächst ein Wettbewerb heran, den wir in Deutschland absolut unterschätzen“.

Ist das aber nicht ein wenig die alte Leier: „Früher war alles besser“?

Ich möchte natürlich nicht pauschalisieren, es gibt viele sehr motivierte junge Leute. Aber wir haben beispielsweise den Eindruck, dass die Flexibilität vieler Bewerber abnimmt. Sie wollen zum Beispiel unbedingt in ihrer Heimat bleiben. Wir haben momentan einen hohen Bedarf an Fluglotsen in den Kontrollzentren in Bremen und Karlsruhe, weniger in Langen und München. Es ist aber trotz guter Gehälter schwierig, Bewerber von einem Ortswechsel zu überzeugen. Und ich möchte noch etwas klarstellen: Die DFS beschäftigt rund 2200 Fluglotsen, aber insgesamt 5600 Menschen. Wir benötigen auch viele IT-Techniker und Flugsicherungsingenieure – und da konkurrieren wir mit allen anderen Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt. Wir plädieren bei der DFS unbedingt dafür, Zuwanderung zu erleichtern, damit wir ausreichend qualifiziertes Personal finden.

Wird der Luftverkehr nicht mittelfristig wegen eines stärkeren Klimabewusstseins ohnehin abnehmen? Dann bräuchte die Flugsicherung ja auch weniger Personal ...

Das glaube ich nicht. Die Leute wollen weiterhin fliegen, das sehen wir momentan. Wir hatten eigentlich wegen der Inflation mit einem Einbruch der Nachfrage für Urlaubsreisen gerechnet. Dem ist aber nicht so. In der Luftverkehrsbranche in Europa haben wir allerdings die Sorge, dass wir Marktanteile verlieren, dass Frankfurt als Drehkreuz für internationale Fluggesellschaften unattraktiver wird – und etwa Dubai verlockender. Das sehen wir jetzt schon.

Wieso?

Zunächst gab es in Europa teils strengere Corona-Beschränkungen als in anderen Ländern. Dann ist es aber auch so, dass es in Europa etwa durch das EU-Klimaprogramm Fit für 55 und die Luftverkehrssteuer viel stärkere Auflagen und höhere Kosten für Airlines gibt als anderswo. Ein Beispiel: Die EU schreibt den hiesigen Fluggesellschaften eine Quote vor, wie viel sustainable aviation fuel sie nutzen müssen. Das ist Treibstoff, der aus Wasserstoff und Co2 gewonnen wird. In Großbritannien und der Türkei gibt es solche Quoten nicht. Das heißt: Das Fliegen mit europäischen Fluglinien wird teurer; die Kunden sind aber sehr preissensibel. Verstehen Sie mich nicht falsch: Klimaschutz ist absolut richtig. Aber wir können in Deutschland und der EU nicht die Märtyrer sein und akzeptieren, dass der Rest der Welt nicht mitmacht. Das bringt zu wenig für die Umwelt und schädigt unsere Wirtschaft.

Bleiben wir beim Thema Klimaschutz. Die DFS betont, dass sie dort sehr aktiv ist. Inwiefern?

Wir haben beispielsweise den Anspruch, die Flugzeuge den direktesten Weg fliegen zu lassen, wann immer das geht. Die EU misst jedes Jahr, wie viele Umwege die Flugzeuge nehmen müssen – wir schneiden da ziemlich gut ab. Und wir versuchen immer, möglichst treibstoffarme Sink- und Steigflüge zu wählen.

An welchen Projekten arbeitet die DFS noch?

Zur Person

VIDEO: Fluglotse werden (w/m/d) | Bewerbung & Auswahlverfahren | Recruiting Day 2022
DFS Deutsche Flugsicherung

Arndt Schoenemann , 58, ist seit April 2021 Chef der Deutschen Flugsicherung (DSF) in Langen. Zuvor war Schoenemann zwölf Jahre lang Geschäftsführer der Liebherr-Aerospace Lindenberg GmbH, einem großen Luftfahrtausrüster in Deutschland mit Sitz im Allgäu.

Die DFS mit Sitz in Langen bei Frankfurt ist für die Sicherheit im deutschen Flugraum verantwortlich. Sie gehört komplett dem Bund. nl

Das Thema Drohnenerkennung ist groß für uns. Wir arbeiten da eng mit den Ministerien und der Polizei zusammen. Ziel ist es, dass wir alle Drohnen im unteren Luftraum auf dem Radar sehen und identifizieren können. Das wird derzeit regulativ vorbereitet. Außerdem beschäftigen wir uns mit der Digitalisierung des Luftraums.

Was genau heißt das?

Wir schauen uns mit der amerikanischen Luftverkehrsbehörde FAA, Boeing, Airbus und der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit EASA an, ob künftig nur noch ein Pilot im Cockpit sitzen muss, zumindest bei Start und Landung der Maschine.

Bei dem Gedanken wird mir ehrlich gesagt unwohl. Geht das nicht zu Lasten der Sicherheit?

Ich gehe davon aus, dass es mit mehr Technologie noch sicherer werden wird im Luftverkehr. Auf Langstreckenflügen etwa müssen die Fluggesellschaften oft mit zwei Crews an Bord fliegen – eine könnten sie dann sparen. Und Frachtflugzeuge fliegen heute oft besonders schnell, damit sie nur eine Crew mitnehmen müssen, dadurch haben sie aber einen sehr hohen Kerosinverbrauch. Mit mehr Technologie an Bord könnten sie langsamer fliegen und das mit nur einer Crew, das wäre auch gut fürs Klima. Ich prognostiziere, dass am Ende des Jahrzehnts Frachtflieger nur noch von einem Piloten geflogen werden.

Ich möchte nochmal zurückkommen auf die Fluglotsen. Wenn Sie solche Nachwuchsprobleme haben: Könnte man mit mehr Digitalisierung nicht auch Lotsinnen und Lotsen einsparen?

Tatsächlich wird an Technologien gearbeitet, wie wir in Zukunft mehr Verkehr mit der gleichen Anzahl von Lotsen bewältigen können. Da geht es darum, dass durch Digitalisierung die Abstände zwischen Flugzeugen verringert werden können und dass es weniger Sprechfunk und mehr digitale Kommunikation zwischen Pilot und Kontrollzentrum gibt. Sicherheit bleibt aber immer das oberste Gebot.

Im Luftverkehr passieren wenig Unfälle. Das heißt ja offenbar, dass trotz der hohen Qualifikation, die Fluglotsen mitbringen müssen, auch etwa in Entwicklungsländern hohe Ausbildungsstandards gelten?

Ich kann nichts gegenteiliges berichten. Man darf allerdings nicht vergessen: In Europa ist der Luftraum unglaublich dicht. Schauen Sie mal in der Rush Hour Nachmittags um fünf auf die App Flightradar24, da sehen Sie, was hier los ist. Da staunen die Kollegen selbst in den USA, das kennen sie nicht. Das heißt: In Mitteleuropa haben Fluglotsen vermutlich einen deutlich anspruchsvolleren Job als in den meisten anderen Gegenden der Welt.

Welche Art von Mensch spricht der Beruf Fluglotsin oder -lotse an? Ich stelle mir das unglaublich monoton vor, über Jahre hinweg den ganzen Tag vor diesem Radar zu sitzen…

Man muss dafür natürlich gemacht sein. Aber so monoton ist es nun auch wieder nicht. Die Lotsen müssen sich mit Wetterlagen, mit Stau am Himmel oder mit Notfällen an Bord – etwa wenn ein Passagier krank ist und der Flug umgeleitet werden muss – beschäftigen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus den letzten Wochen. Da fuhr das Fahrwerk einer United-Airlines-Maschine, die in die USA wollte, nicht ein. Der Pilot musste also nach Frankfurt umkehren – und der Fluglotse den Piloten ganz schnell bei der Entscheidung unterstützen, wo der nötige Kerosinablass von 41 Tonnen Treibstoff möglich ist, damit die Maschine das Landegewicht bekommt. Lotsen müssen sich genau auskennen in ihrem Kontrollgebiet.

Wenn Pilot:innen über Funk nicht erreichbar sind, steigen Alarmrotten – Jagdflugzeuge – der Luftwaffe auf, um nachzuschauen, was los ist. Passiert das häufig?

Zwei, drei Mal im Vierteljahr, vielleicht auch etwas häufiger. Ich werde dann auch sofort persönlich informiert. Aber meistens ist es nichts Gefährliches, da hat dann einfach ein Pilot den falschen Knopf gedrückt oder war auf der falschen Frequenz.

Chef der Deutschen Flugsicherung: Arndt Schoenemann.

Chef der Deutschen Flugsicherung: Arndt Schoenemann. © Melanie Bauer

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VIDEO: So funktioniert die Flugsicherung in Europa - Personalmangel bei Fluglotsen | Gut zu wissen | BR
Bayerischer Rundfunk

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Author: Brandon Robertson

Last Updated: 1702506122

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Name: Brandon Robertson

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